Was sind die elf gängigsten Einwände von Politiker/innen gegen die Einbeziehung Selbstständiger in die Aktivrente? Und wie kannst du ihnen begegnen? In diesem Beitrag findest du eine praktische Argumentationshilfe.
Wir fordern eine faire Aktivrente auch für Selbstständige: Mit diesem Anliegen haben wir vor einigen Wochen eine Briefaktion gestartet – viele VGSD- und Community-Mitglieder sind dem Aufruf gefolgt und haben sich per Brief oder Mail an ihre Abgeordneten gewandt. Für dieses tolle Engagement möchten wir uns herzlich bedanken.
Elf Argumente gegen die Aktivrente für Selbstständige – und wie du sie konterst
Rund 40 Reaktionen von Abgeordneten wurden uns bereits zurückgespielt. Dadurch und im Rahmen unserer politischen Arbeit in Berlin konnten wir einen guten Überblick über die Narrative gewinnen, mit denen sich die Politiker/innen typischerweise zur Aktivrente äußern. Wichtig ist jetzt, mit den Abgeordneten im Gespräch zu bleiben. Wenn du eine Antwort von deine/r Abgeordneten erhalten hast, nutze unbedingt die Chance, bleibe im Austausch – frage genau nach und stelle deine eigenen Erfahrungen dagegen! Den ersten Brief beantworten Abgeordnete oft mit Standardformulierungen. Konkretes Nachfragen führt aber zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Thema.
Deshalb haben wir hier die elf am häufigsten verwendeten Argumente gegen die Einbeziehung Selbstständiger zusammengefasst – und dazu eine praktische Argumentationshilfe, wie du ihnen begegnen kannst. Die Inhalte helfen dir natürlich nicht nur im Austausch mit Abgeordneten, sondern zum Beispiel auch bei Diskussionen in den Social Media.
Inhaltsübersicht
- Argument 1: Viele Selbstständige arbeiten im Rentenalter sowieso weiter, deswegen gibt es keinen Anlass für eine Förderung.
- Argument 2: Selbstständige sind nicht im Sozialversicherungssystem. Und damit auch nicht Zielgruppe der Aktivrente.
- Antwort 3: Selbstständige können sich im Rentenalter ja anstellen lassen, um von der Aktivrente zu profitieren.
- Argument 4: Selbstständige und Angestellte sind strukturell verschieden, daher liegt keine Diskriminierung vor.
- Argument 5: Selbstständige sind ohnehin wohlhabend – sie brauchen keine zusätzliche Förderung
- Argument 6: Bei Selbstständigen wäre die technische Umsetzung der Aktivrente zu aufwändig.
- Argument 7: Selbstständige profitieren bereits von anderen Maßnahmen oder Erleichterungen.
- Argument 8: Wir starten die Aktivrente mit Angestellten, um Missbrauch zu vermeiden und den Aufwand zu begrenzen.
- Argument 9: Der Bundeshaushalt ist leer – aus Kostengründen werden Angestellte bevorzugt.
- Argument 10: Der Koalitionspartner blockiert.
- Antwort 11: Die Aktivrente wird in zwei Jahren evaluiert. Dann werden eventuell auch Selbstständige mit einbezogen.
Argument 1: Viele Selbstständige arbeiten im Rentenalter sowieso weiter, deswegen gibt es keinen Anlass für eine Förderung.
Nach obenWie du antworten kannst:
Die Aktivrente soll „Anreize für längeres Arbeiten“ schaffen. Das sollte gleichermaßen für alle gelten, die erwerbstätig bleiben. Gerade wenn Selbstständige aus wirtschaftlicher Notwendigkeit weiterarbeiten müssen, wäre eine steuerliche Entlastung hilfreich und gerecht.
Frag deine/n Abgeordneten, wieso sie oder er davon ausgeht, dass Selbstständige im gleichen Umfang wie heute auch weiterarbeiten würden, wenn sie steuerlich schlechter behandelt werden als Angestellte. Schildere gern auch aus deiner persönlichen Perspektive, was eine solche Ungleichbehandlung mit deiner Motivation, im Alter weiterzuarbeiten, macht.
Argument 2: Selbstständige sind nicht im Sozialversicherungssystem. Und damit auch nicht Zielgruppe der Aktivrente.
Nach obenWie du antworten kannst:
Zum einen zahlen viele Selbstständige freiwillig in die Rentenversicherung ein und noch viel mehr sind versicherungspflichtig (zum Beispiel Hebammen, Lehrende, Handwerker, Kindertagespflegepersonen, Künstler und Publizisten über die KSK). Trotzdem sind sie von der Aktivrente ausgeschlossen.
Zum anderen ist die Aktivrente eine steuerliche Maßnahme, kein Zuschuss zur Rente. Sie betrifft also alle Steuerpflichtigen, nicht nur Versicherte in der GRV.
Die Aktivrente soll sofort fair gestaltet werden, unabhängig von langfristigen Strukturreformen wie der Altersvorsorgepflicht für Selbstständige. Diese Reform wird seit Jahren diskutiert, aber nicht umgesetzt und betrifft laut Koalitionsvertrag nur künftige Selbstständige.
Antwort 3: Selbstständige können sich im Rentenalter ja anstellen lassen, um von der Aktivrente zu profitieren.
Nach obenWie du antworten kannst:
Eine solche Forderung zeigt, dass die Politik die Lebensrealität der Selbstständigen nicht kennt und sie ignoriert. Es ist widersinnig, Menschen zu zwingen, ihre Tätigkeit formal zu ändern, nur um steuerlich gleich behandelt zu werden. Das fördert Bürokratie und Umgehungskonstrukte, die das System noch komplizierter machen, statt echte Arbeit zu erleichtern.
Nicht zuletzt stellt sich für viele Menschen die Frage: Wer stellt mich im Rentenalter überhaupt noch an? Hier gehen Wunsch und Wirklichkeit weit auseinander.
Darüber hinaus gilt: Der Staat braucht Selbstständige. Deutschland ist zurecht stolz auf seinen Mittelstand, das Handwerk, die Freien Berufe, also auf genau die Gruppen, die hier ausgeschlossen werden. Wenn Selbstständige sich „anstellen lassen“ sollen, sendet das das Signal: Selbstständigkeit ist unerwünscht oder nachrangig. Selbstständige sind keine Erwerbstätigen zweiter Klasse!
Argument 4: Selbstständige und Angestellte sind strukturell verschieden, daher liegt keine Diskriminierung vor.
Nach obenWie du antworten kannst:
Der Staat besteuert Erwerbstätigkeit unterschiedlich, das ist verfassungsrechtlich fragwürdig: Der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) verlangt eine gleiche Behandlung bei gleicher Sachlage – und die ist hier gegeben: Sowohl Selbstständige als auch Angestellte arbeiten über die Regelaltersgrenze hinaus weiter.
Hinzu kommt: Auch Selbstständige sind Fachkräfte und zudem häufig in Mangelberufen tätig. Die Form der Erwerbstätigkeit (abhängig oder selbstständig) ist für das Ziel der Aktivrente vollkommen irrelevant.
Argument 5: Selbstständige sind ohnehin wohlhabend – sie brauchen keine zusätzliche Förderung
Nach obenWie du antworten kannst:
Die Politik scheint zu argumentieren, wie sie es gerade braucht – und nutzt dabei verschiedene Stereotype von Selbstständigen, die mit der Wirklichkeit der großen Mehrheit der Selbstständigen nicht viel zu tun haben. Geht es um staatliche Einnahmen wie bei der Altersvorsorgepflicht, wird das Bild der prekären Selbstständigen gezeichnet. Bei staatlicher Förderung wie der Aktivrente hingegen werden Selbstständige als wohlhabende Firmeninhaber/innen dargestellt, die auch ohne staatliche Förderung weit überdurchschnittlich abgesichert sind. Auch unterstellt der Gesetzentwurf Selbstständigen, dass sie oft nicht aktiv arbeiten, sondern die Arbeit für sich erledigen lassen. Wie das bei (Solo-)Selbstständigen funktionieren soll, bleibt unbeantwortet.
Aber: Den einen, prototypischen Selbstständigen gibt es nicht. Die Selbstständigen hierzulande sind eine sehr heterogene Gruppe, was zum Beispiel die Höhe ihres Einkommens betrifft oder auch ihre Arbeitsbedingungen. Deshalb sollte die Politik sich keine Einzelfälle herauspicken, sondern die Selbstständigen in ihrer Gesamtheit betrachten. Bitte kein Cherrypicking!
Argument 6: Bei Selbstständigen wäre die technische Umsetzung der Aktivrente zu aufwändig.
Nach obenWie du antworten kannst:
Worin genau besteht der bürokratische Aufwand? Alle Selbstständigen melden ihre Einnahmen und Ausgaben dem Finanzamt. Dieses kennt genau Höhe und Herkunft ihrer Gewinne. „Bürokratieaufwand“ ist zudem kein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung, sondern ein lösbares organisatorisches Problem.
Argument 7: Selbstständige profitieren bereits von anderen Maßnahmen oder Erleichterungen.
Nach obenHier gilt es in den Dialog zu gehen und hartnäckig zu bleiben. Denn häufig bleibt unklar, welche Erleichterungen für Selbstständige konkret gemeint sind.
Wie du antworten kannst:
Bei der Einbeziehung von Selbstständigen bei der Aktivrente geht es nicht um Sondervorteile, sondern die Gleichbehandlung mit Angestellten, die weiterarbeiten.
Welche Einzelmaßnahme sind denn konkret gemeint, die einen Steuervorteil von bis zu 920 Euro monatlich aufwiegen? Welche Erleichterungen für Selbstständige genau hat die Regierung für Selbstständige beschlossen beziehungsweise plant sie?
Wenn dann zum Beispiel von „verbesserten Abschreibemöglichkeiten“ die Rede ist, geh gern darauf ein, ob diese in einem kleinen Unternehmen wie deinem überhaupt zum Tragen kommen.
Argument 8: Wir starten die Aktivrente mit Angestellten, um Missbrauch zu vermeiden und den Aufwand zu begrenzen.
Nach obenBeim Argument, eine Aktivrente für Selbstständige sei möglicherweise „missbrauchsanfällig“, fehlt häufig eine Erläuterung dazu, was für ein Missbrauch die Politik hier überhaupt befürchtet. Dass Selbstständige, die schon jetzt im Alter arbeiten, von der Regelung profitieren, ist kein Missbrauch. Die rund 900 Millionen Euro an Mindereinnahmen, die aktuell pro Jahr eingeplant sind, beruhen auf Angestellten, die schon jetzt im Rentenalter arbeiten und selbstverständlich von der Aktivrente profitieren werden. Deshalb raten wir dir, an dieser Stelle nachzuhaken und zu fragen, was die konkreten Bedenken sind.
Wie du antworten kannst:
Was meinen Sie mit Missbrauch – welche konkreten Befürchtungen gibt es und woraus speisen sich diese?
Wie du antworten kannst:
Wenn das Ziel der Aktivrente die Förderung längerer Erwerbstätigkeit ist, rechtfertigt die angespannte Haushaltslage keine Ungleichbehandlung. Auch Selbstständige zahlen Steuern. Diese sollten nicht allein für Angestellte genutzt werden.
Entscheidend ist doch zudem, dass möglichst viele zusätzliche Arbeitsstunden geleistet werden – unabhängig von der Form der Erwerbstätigkeit. Gerade Selbstständige sind vielfach hochmotiviert und bereit, über das gesetzliche Rentenalter hinaus weiterzuarbeiten. Dieses Potenzial für die deutsche Wirtschaft sollte dringend genutzt und die Aktivrente als zusätzliche Motivation auch für Selbstständige eingesetzt werden.
Insbesondere aus den Reihen der CDU und CSU kam öfter das Argument, der Koalitionspartner SDP würde die Einbeziehung von Selbstständigen blockieren.
Wie du antworten kannst:
Das zeigt: Politisch wäre eine Einbeziehung von Selbstständigen möglich – der Widerstand ist nicht sachlich, sondern parteipolitisch motiviert. Welche Priorität haben wir Selbstständigen für Sie? Wieso werden unsere Interessen vernachlässigt und zugunsten welcher anderen Themen geschieht das?
Antwort 11: Die Aktivrente wird in zwei Jahren evaluiert. Dann werden eventuell auch Selbstständige mit einbezogen.
Nach obenDer aktuellen Planung zufolge soll die Wirkung der Aktivrente nach zwei Jahren auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden. Noch einmal zwei Jahre später – bis Ende 2029 – soll dann feststehen, ob durch die Aktivrente tatsächlich mehr Angestellte länger arbeiten. Und auch, ob “durch eine weitere Einbeziehung von Selbständigen darüber hinaus zusätzliche Wachstumsimpulse erschlossen werden können”.
Wie du antworten kannst:
Schon bei der Reform des Statusfeststellungsverfahrens wurden wir Selbstständigen vertröstet mit Blick auf eine spätere Evaluierung. Doch dort sieht es aktuell so aus, dass die Evaluation nur aus dem Bericht einer Behörde ans Arbeitsministerium bestehen wird – ohne Expertenanhörung, ohne weitere Transparenz. Wie aussagekräftig kann und wird eine solche Evaluierung sein? Statt hier Jahre ins Land ziehen zu lassen, sollten Selbstständige bei der Aktivrente von Anfang an mit einbezogen werden.
Gibt es denn eine Forschung dazu, wie viele Selbstständige durch die Aktivrente zum längeren Arbeiten im Alter zusätzlich motiviert würden? Auf welchen Zahlen, Daten und Fakten könnte eine solche Evaluation basieren und wann werden diese erhoben, um später einen soliden Vergleich zu ermöglichen? Und wieso muss die Evaluation zwei Jahre dauern, kann diese nicht verkürzt werden?
Welche Argumente gegen die Einbeziehung Selbstständiger in die Aktivrente sind dir im Austausch mit der Politik oder in den Sozialen Medien begegnet? Wie hast du geantwortet? Und fehlen dir hier noch Argumente oder Aspekte? Schreib es uns in den Kommentaren.
Wenn du weitere Antworten von Abgeordneten bekommst, leite sie uns gern weiter an info@vgsd.de
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