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Lesetipp Der Koalitionsvertrag im Halbzeit-Check Wie die Ampel die Selbstständigen hängenlässt

Viel versprochen, wenig umgesetzt: Vor zwei Jahren ließ der Koalitionsvertrag auf einige deutliche Verbesserungen für Selbstständige hoffen. Doch unser Halbzeit-Check zeigt: Daraus ist nichts geworden.

Grün, Gelb, Rot: Welche Versprechen aus dem Koalitionsvertrag hat die Ampel gehalten?

"Mehr Fortschritt wagen" heißt der Koalitionsvertrag, den SPD, Grüne und FDP am 7. Dezember 2021 unterzeichneten. Und tatsächlich ließ das in seiner Endfassung 144 Seiten lange Dokument auch für Selbstständige einigen Fortschritt erwarten. Insofern war unsere Einschätzung, als wir den Koalitionsvertrag nach seinem Bekanntwerden unter die Lupe nahmen, auch überwiegend positiv.

Zwei Jahre später müssen wir leider sagen: Von diesem Optimismus ist nicht viel geblieben.

  • Während die Altersvorsorgepflicht in Arbeit ist, wurde der damit verknüpften fairen Bemessung von GKV-Beiträgen eine Absage erteilt.
  • Beim Statusfeststellungsverfahren ist keine Verbesserung in Sicht, und vom versprochenen Dialog mit uns Verbänden ist auch keine Rede mehr.
  • Das Elterngeld für Selbstständige ist nicht modernisiert, die weiteren angekündigten Verbesserungen sind ebenfalls nicht angegangen worden, stattdessen werden Leistungen eingeschränkt.
  • Umgesetzt wurden kleinere Verbesserungen wie die Verlängerung der Neustarthilfe und die Beibehaltung der höheren Zuverdienstgrenze für "Brotjobs" für KSK-Versicherte.
  • In Sachen Bürokratieabbau gibt es immerhin einige Bemühungen, Dinge zu verbessern.
  • Gründungsförderung, besserer Zugang zur Arbeitslosenversicherung und die Reform des Infektionsschutzgesetzes sind ebenfalls nicht vorangekommen.

Wir haben die Punkte noch einmal im Einzelnen unter die Lupe genommen. Dabei haben wir uns erneut auf das Dokument bezogen, das uns vor der Unterzeichnung vorlag. Es enthält Randnummern, mit denen du die zitierten Stellen schnell selbst finden kannst. Den endgültigen Koalitionsvertrag findest du hier.

Altersvorsorgepflicht

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Wir werden für alle neuen Selbstständigen, die keinem obligatorischen Alterssicherungssystem unterliegen, eine Pflicht zur Altersvorsorge mit Wahlfreiheit einführen. Selbstständige sind in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert, sofern sie nicht im Rahmen eines einfachen und unbürokratischen Opt-Outs ein privates Vorsorgeprodukt wählen. Dieses muss insolvenz- und pfändungssicher sein und zu einer Absicherung oberhalb des Grundsicherungsniveaus führen. Bei jeder Gründung gilt jeweils eine Karenzzeit von zwei Jahren. Die geförderte zusätzliche private Altersvorsorge steht allen Erwerbstätigen offen. (Nr. 2471 ff.)

Eingeführt ist die Altersvorsorgepflicht (AVP) zur Halbzeit nicht. Aber sie ist in Arbeit und soll bald beschlossen werden. Logisch: Hier geht es um Geld, das Selbstständige in die öffentlichen Kassen einzahlen sollen. Da ist das Interesse an der Umsetzung natürlich größer …

Positiv am Koalitionsvertrag ist festzuhalten, dass Bestandsselbstständige von der AVP ausgenommen sein sollen, dass es einen "einfachen und unbürokratischen" Opt-Out geben soll und dass Gründerinnen und Gründer für zwei Jahre von der AVP verschont bleiben sollen. 

In jüngster Zeit hat Staatssekretär Rolf Schmachtenberg aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) mehrmals auf Veranstaltungen Vorträge über die Einführung der AVP für Selbstständige gehalten, beispielsweise auf der Bundestagung des Deutschen Sozialrechtsverbands Anfang Oktober. Die AVP wird kommen, wenn das Rentenpaket II beschlossen ist – damit ist in den nächsten Monaten zu rechnen.

Für uns als Interessenvertretung von Selbstständigen ist wichtig, dass die AVP nur im Paket mit fairen Beitragssätzen zur Gesetzlichen Krankenkasse (GKV) und Rechtssicherheit beim Statusfeststellungsverfahren kommt. Dafür setzen wir uns weiterhin mit aller Kraft ein.

Fazit AVP: Man arbeitet daran.

Reform des Statusfeststellungsverfahrens

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Selbständige sind wesentlicher Teil unserer Gesellschaft und Wirtschaft. Nach der aktuellen Reform des Statusfeststellungverfahrens führen wir im Lichte der Erfahrungen einen Dialog mit Selbständigen und ihren Verbänden, um dieses zu beschleunigen und zu verbessern. Ziel ist, in der digitalen und agilen Arbeitswelt unbürokratisch Rechtssicherheit zu schaffen. (Nr. 2261 ff.)

Eine Reform des Statusfeststellungsverfahrens (SFV) hatte die Große Koalition kurz vor der Wahl im Sommer 2021 noch eilig beschlossen. Das meint der Koalitionsvertrag mit der "aktuellen Reform des Statusfeststellungsverfahrens" – und verspricht sogleich, das Gespräch mit uns Selbstständigen zu suchen, um das Verfahren zu verbessern. Man beteuert sogar das Ziel zu haben, "in der digitalen und agilen Arbeitswelt unbürokratisch Rechtssicherheit zu schaffen".

Rechtssicherheit – nichts würden sich Selbstständige mehr wünschen.

Doch es ist bei hehren Worten geblieben: Die Ampel hat nichts unternommen, um das SFV zu verbessern oder gar grundlegend zu reformieren – was die Voraussetzung für Rechtssicherheit wäre. Auch hinter den Kulissen ist nichts passiert: Vom "Dialog mit Selbstständigen und ihren Verbänden" ist nichts zu spüren. Wie wenig die im April 2022 in Kraft getretene Reform gebracht hat, haben gerade Kathi-Gesa Klafke und Hartmut Paul in einem Talk geschildert.

Fazit Reform SFV: Fail.

Mindestbemessungsgrundlage GKV

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Wir entlasten Selbstständige dadurch, dass Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung oberhalb der Minijobgrenze nur noch strikt einkommensbezogen erhoben werden. (Nr. 2470)

Wer freiwillig Mitglied in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist und wenig verdient, wird Opfer der Mindestbemessungsgrenze: Sobald der Verdienst oberhalb der Minijobgrenze liegt (also derzeit 520 Euro), wird ein Verdienst von 1.131,67 Euro angesetzt – egal, ob das Mitglied tatsächlich 600, 700 oder 1.000 Euro verdient. Diese Ungerechtigkeit zu beseitigen, verspricht der Koalitionsvertrag klipp und klar – und zwar im selben Absatz, als einleitenden Satz vor der AVP. Der Zusammenhang ist also nicht von uns konstruiert, sondern geht aus dem Koalitionsvertrag eindeutig hervor. Wir haben uns sehr gefreut, als wir das gelesen haben. Allein: Das Versprechen wird gebrochen.

Das Gesundheitsministerium hat in einem Brief an den Bundesverband Direktvertrieb Deutschland (BDD), der uns vorliegt, ganz offen klargestellt, dass es sich in diesem Punkt nicht an den Koalitionsvertrag halten wird. In dem Brief heißt es:

"Die Mindestbeiträge der Selbstständigen wurden bereits in der vergangenen Legislaturperiode […] halbiert. Diese Entlastung der Selbstständigen erfolgte voll zu Lasten der anderen GKV-Versicherten. Vor dem Hintergrund der angespannten Finanzlage der GKV ist eine weitere Entlastung von Selbstständigen zu Lasten anderer Versicherter ohne Gegenfinanzierung derzeit nicht möglich. Alternative Konzepte zur Finanzierung liegen bisher nicht vor. Angesichts der Gesamtsituation der GKV und mit Blick auf die strikten Vorgaben des Bundeshaushalts ist die Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag daher derzeit nicht umsetzbar."

Durch die Anpassung würden der GKV etwa 200 Millionen Euro im Jahr entgehen. Das Gesundheitsministerium spricht von einer "Entlastung" der Selbstständigen "zu Lasten der anderen GKV-Versicherten". Das ist, freundlich gesagt, eine fantasievolle Darstellung dessen, worum es geht: die Beseitigung einer Ungerechtigkeit, nämlich den unfair bemessenen Beiträgen der Selbstständigen mit geringem Verdienst. Mit der Ergänzung "zu Lasten der anderen GKV-Versicherten" versucht das Ministerium die Gruppen gegeneinander auszuspielen und die Selbstständigen als Profiteure auf Kosten anderer darzustellen. Dabei zahlen sie schlicht derzeit zu hohe Beiträge, während Arbeitnehmer/innen strikt einkommensbezogene Beiträge zahlen, die sogar für Geringverdiener in der Gleitzone noch reduziert werden.

Fazit Mindestbemessungsgrundlage GKV: Fail.

Modernisierung des Elterngelds für Selbstständige

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Die Partnermonate beim Basis-Elterngeld werden wir um einen Monat erweitern, entsprechend auch für Alleinerziehende. Wir werden einen Elterngeldanspruch für Pflegeeltern einführen und den Anspruch für Selbstständige modernisieren. (Nr. 3371 ff.)

Reformen beim Elterngeld sorgen seit Monaten für Diskussionen. Nur: Es sind überhaupt nicht die Veränderungen, die der Koalitionsvertrag verspricht. Im Gegenteil. Die Einkommensgrenze, bis zu der Elterngeld bezogen werden kann, wird gesenkt. Zwar nicht ganz so stark, wie in einem ersten Entwurf geplant, sondern schrittweise und weniger weit. Außerdem wird die Möglichkeit eingeschränkt, das Elterngeld parallel zu beziehen. Es handelt sich also um – moderate – Einschnitte, aber nicht um Verbesserungen.

Was der Koalitionsvertrag eigentlich verspricht, sind Verbesserungen: Ein Partnermonat mehr, Elterngeld für Pflegeeltern, Modernisierung des Anspruchs für Selbstständige. Von keinem dieser Punkte ist noch die Rede. Dabei wäre eine Neugestaltung des Elterngelds für Selbstständige bitter nötig. Wie ungünstig das Elterngeld für Selbstständige gestaltet ist, haben wir auch in unserem Ratgeber-Artikel zum Elterngeld aufgeschrieben. [https://www.vgsd.de/beitrag-permalink/58934] Für viele Selbstständige ist das Elterngeld keine verlässliche und planbare Leistung.

Fazit Modernisierung des Elterngelds: Fail.

Bürokratieabbau

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Wir wollen Abläufe und Regeln vereinfachen und der Wirtschaft, insbesondere den Selbstständigen, Unternehmerinnen und Unternehmern mehr Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben schaffen. Wir werden ein neues Bürokratieentlastungsgesetz auf den Weg bringen, welches die Wirtschaft, Bürgerinnen und Bürger sowie Verwaltung gegenüber dem bisherigen Bürokratieaufwand entlastet, ohne auf notwendige Schutzstandards zu verzichten.

Überflüssige Bürokratie werden wir abbauen. Die ressortübergreifende „One-in-one-out“-Regelung setzen wir konsequent fort. Die Bundesregierung wird ein systematisches Verfahren zur Überprüfung des bürokratischen Aufwands von Gesetzen und Regelungen entwickeln, das eine regelmäßige Einbeziehung der Stakeholder vorsieht (Praxischeck).

Wir werden bei der Umsetzung von EU-Recht dafür Sorge tragen, dass sie effektiv, bürokratiearm und im Sinne des einheitlichen Europäischen Binnenmarktes erfolgt. Wir werden das „Once-only“-Prinzip schnellstmöglich einführen. Das bereits beschlossene Unternehmens-Basisdatenregister soll schnell umgesetzt und dessen Finanzierung gesichert werden. Wir werden prüfen, inwiefern wir den Aufwand für und durch die rein elektronische Aufbewahrung von Belegen und Geschäftsunterlagen verringern können. Unnötige Erfordernisse bei A1 Bescheinigungen bei grenzüberschreitender Dienstleistungserbringung müssen rasch abgeschafft werden, indem ein europäisches elektronisches Echtzeitregister eingeführt wird. (Nr. 969 ff.)

Die Ankündigungen zum Bürokratieabbau setzen sich zusammen aus einigen eher floskelhaften und unspezifischen Aussagen ("Abläufe und Regelungen vereinfachen", "überflüssige Bürokratie abbauen") und ein paar ganz konkreten Punkten (A1-Bescheinigungen, Praxischeck).

Bilanzieren lassen sich naturgemäß besser die konkreten Ankündigungen. A1-Bescheinigungen werden bei Arbeitseinsätzen im EU-Ausland benötigt, um die Sozialversicherung nachzuweisen. An dem Verfahren hat sich in den vergangenen zwei Jahren nichts geändert. Ein europäisches elektronisches Echtzeitregister kann Deutschland nicht im Alleingang einführen. Doch auch Verbesserungen, die den in Deutschland abgewickelten Teil betreffen, sind nicht in Sicht.

Das Once-Only-Prinzip beruht auf Datenaustausch: Bürgerinnen und Bürger, aber auch Unternehmen, sollen Angaben nur noch ein einziges Mal an die Verwaltung übermitteln müssen. An der Einführung wird gearbeitet, wie ein Monatsbericht aus dem Finanzministerium vom Juni 2023 zeigt.

Im Frühjahr 2023 startete das Justizministerium eine Verbändeumfrage zum Bürokratieabbau, an der auch der VGSD teilnahm. Leider sind viele der Vorschläge inzwischen aussortiert worden. Einige schafften es jedoch in die Eckpunkte des neuen Bürokratieentlastungsgesetzes, die seit kurzem vorliegen. Mit den "Praxischecks" sollten Stakeholder (wozu wir uns auch zählen) einbezogen werden – sie werden an einigen Stellen durchgeführt. Doch leider hat bisher zu keinem der uns betreffenden Themen ein Praxischeck stattgefunden.

Fazit Bürokratieabbau: Man arbeitet daran.

Förderprogramme und Investitionszuschüsse

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Förderprogramme und Investitionszuschüsse sollen vor allem für kleine und mittlere Unternehmen und Selbstständige deutlich einfacher zu beantragen und zu dokumentieren sein. Dafür werden wir sie digitalisieren, evaluieren und bedarfsgerecht ausgestalten. (Nr. 846 ff.)

Zu diesem Punkt haben wir gerade gegenteilige Informationen bekommen. Offenbar wird derzeit in den Wirtschaftsministerien von Bund und Ländern überlegt, kleinteilige Förderprogramme auslaufen zu lassen, wenn die Verwaltungskosten sehr hoch sind. Es scheint Fälle zu geben, in denen die Kosten für Vergabe und Prüfung ähnlich hoch sind wie der Förderbetrag – also aus Sicht der Ministerien nicht lohnend. Die Lösung sollte unseres Erachtens darin bestehen, die Förderungen besser administrierbar zu machen statt sie für kleine Unternehmen abzuschaffen.

Fazit Förderprogramme und Investitionszuschüsse: Fail.

Gründungsförderung ohne ALG-1-Anspruch

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Wir stärken die Start-up- und Gründerförderung. Wir werden Gründungen aus allen Lebenslagen und eine Kultur der zweiten Chance unterstützen und dafür ein neues Förderinstrument schaffen, das auch für Unternehmensnachfolgen offensteht. Wir verabschieden eine umfassende Start-up-Strategie.

Hürden für Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund beim Zugang zu Finanzierungen und Förderungen bauen wir ab; besseren Zugang zu Wagniskapital für Gründerinnen stellen wir sicher. Wir ermöglichen einen vereinfachten, rechtssicheren Zugang für Startups und junge Unternehmen zu öffentlichen Aufträgen. Wir schaffen die Voraussetzungen für flächendeckende „One Stop Shops“, also Anlaufstellen für Gründungsberatung, -förderung und -anmeldung. Ziel ist es, Unternehmensgründungen innerhalb von 24 Stunden zu ermöglichen. (Nr. 905 ff.)

Eine Gründungsförderung braucht Deutschland dringend. Seit Jahren geht die Zahl der Gründungen zurück. In den vergangenen 20 Jahren ist die Gesamtzahl der haupt- und nebenberuflichen Gründungen von 1,5 Millionen auf 550.000 gesunken. Dabei machen Start-ups nur einen kleinen Teil der Gründungen aus – und werden doch von der Politik mit besonderem Augenmerk bedacht. Während die Bundesregierung eine Start-up-Strategie hat, lässt ein Plan für Solo-Selbstständige auf sich warten. Darauf weisen wir bei Gesprächen in Berlin immer wieder hin.

Fazit Gründungsforderung: Fail.

Neustarthilfe, Reform des Infektionsschutzgesetzes

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Zur Unterstützung von Soloselbständigen in der andauernden Corona-Pandemie führen wir die Neustarthilfe im Rahmen der Überbrückungshilfe III Plus so lange wie benötigt fort. Um auch bei zukünftigen schweren Krisen, die zu nicht selbst verantworteten Erwerbsausfällen führen, Selbstständige auch bei der Finanzierung ihrer Lebensunterhaltskosten schneller und besser helfen zu können, treffen wir Vorsorge für steuerfinanzierte Wirtschaftshilfen. Dabei werten wir die Erfahrungen mit der Neustarthilfe aus. Wir schaffen kein neues Regelsystem. Während der Corona-Pandemie hat sich die besondere Bedeutung der Künstlersozialkasse für die soziale Absicherung von Kreativen und Kulturschaffenden bewährt. Diese wollen wir auch künftig sicherstellen. (Nr. 2276 ff.)

Die Neustarthilfe, wichtigste Hilfe für Selbstständige in der Corona-Krise, lief noch bis Ende Juni 2022. Die Ampel erfüllte hier also den Koalitionsvertrag und half betroffenen Selbstständigen.

Damit in zukünftigen ähnlichen Krisen Selbstständige nicht wieder schutzlos dastehen und jede Hilfe mühsam erkämpfen müssen, verspricht die Ampel im Koalitionsvertrag "Vorsorge für steuerfinanzierte Wirtschaftshilfen" zu treffen. Das wäre ein echter Fortschritt: Eine bundeseinheitlich geregelte Unterstützung auch für die Lebenshaltungskosten, deren Bedingungen gleich zu Beginn der Krise feststehen. Allerdings ist in diesem Punkt gar nichts passiert.

Fazit Neustarthilfe: Erfüllt.

Fazit Reform des Infektionsschutzgesetzes: Fail.

Zugang zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung

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Durch einen erleichterten Zugang zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung unterstützen wir auch Selbstständige sowie Gründerinnen und Gründer. Wir prüfen dabei, ob und wie ein Zugang ohne Vorversicherungszeit möglich ist. Wer als Geschäftsführerin oder Geschäftsführer in einer GmbH (etc.) tätig war und dafür Beiträge entrichtet hat, sollte Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Die Sonderregelung für unständig Beschäftigte in der Arbeitslosenversicherung, insbesondere für Kulturschaffende, entfristen wir und prüfen Vereinfachung und Weiterentwicklung. (Nr. 2269 ff.)

Selbstständige können sich freiwillig in der Arbeitslosenversicherung versichern, aber nur unter ganz engen Voraussetzungen. Dazu gehört eine Vorversicherungszeit – also ein Angestelltenverhältnis. Dieses darf nicht länger als drei Monate beendet sein, und der oder die Gründer/in muss Arbeitslosengeld I beziehen oder Anspruch darauf haben. Diese enge Beschränkung soll gelockert werden, sagt der Koalitionsvertrag. Passiert ist in dieser Sache in den vergangenen zwei Jahren: nichts.

Für Selbstständige ist Zugang zur Arbeitslosenversicherung nicht das drängendste Problem. Sie ist so unattraktiv ausgestaltet, dass sich das Interesse an ihr in Grenzen hält. Dieses Thema ist nur ein weiteres, bei dem die Ampel nicht vorankommt – aber nicht das, mit dem sie für Selbstständige eine entscheidende Verbesserung erzielen würde.

Fazit freiwillige Arbeitslosenversicherung: Fail.

Zuverdienstgrenze für "Brotjob" von Künstler/innen bleibt

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Wir werden soloselbstständige und hybrid beschäftigte Kreative besser absichern und Bürokratie abbauen, die KSK finanziell stabilisieren und die erhöhte Zuverdienstgrenze aus selbstständiger nicht-künstlerischer Tätigkeit erhalten. (Nr. 4100 ff.)

In der Künstlersozialkasse (KSK) sind viele freischaffende Kreative versichert. Sie waren von den Corona-Einschränkungen besonders betroffen. Da sie mit ihren künstlerischen Tätigkeiten kaum noch Geld verdienen konnten, suchten sie sich andere Einnahmequellen. Das hätte sie ihre KSK-Versicherung kosten können. Denn die erlaubte nur einen Zuverdienst bis zur Minijob-Grenze. Um dies zu verhindern, wurde die Zuverdienstgrenze erhöht. Diese erhöhte Zuverdienstgrenze sollte laut Koalitionsvertrag erhalten bleiben.

Dieses Versprechen hat die Regierung eingelöst. Die Zuverdienstgrenze für KSK-Versicherte wurde Ende 2022 dauerhaft erhöht. Eine starre (Einkommens-)Grenze gibt es nun nicht mehr. Entscheidend ist vielmehr, dass die künstlerische Tätigkeit noch die "hauptberufliche Erwerbsquelle" ist. Dafür werden sowohl Arbeitszeit als Vergütung betrachtet.

Fazit Zuverdienstgrenze Künstler/innen: Erfüllt

Verbesserung Abmahnmissbrauch

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Wir untersuchen weitere Vorkehrungen gegen den Missbrauch von Kostenerstattungen für Abmahnungen nach dem Gesetz gegen Unlauteren Wettbewerb (UWG). (Nr. 3749 ff.)

Ein Gesetz gegen Abmahnmissbrauch wurde von der Großen Koalition im Dezember 2020 eingeführt – dafür hatte sich auch der VGSD maßgeblich eingesetzt. Dieses Gesetz zeigt eine gute Wirkung. Unseren Informationen nach wird das Gesetz auch evaluiert. Weitere "Vorkehrungen" sind unseren Informationen nach nicht auf dem Weg, aber auch nicht dringend erforderlich.

Fazit Verbesserung Abmahnmissbrauch: Wenig Handlungsbedarf.

Plattformarbeit

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Digitale Plattformen sind eine Bereicherung für die Arbeitswelt, deswegen sind gute und faire Arbeitsbedingungen wichtig. In diesem Sinne überprüfen wir bestehendes Recht und verbessern die Datengrundgrundlagen. Dazu führen wir den Dialog mit Plattformanbietern, -arbeitern, Selbständigen sowie Sozialpartnern. Die Initiative der EU-Kommission zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf Plattformen begleiten wir konstruktiv. (Nr. 2369 ff.)

Die geplante EU-Richtlinie zur Plattformarbeit befindet sich derzeit im Trilogprozess der EU. Bei den letzten Abstimmungen im Ministerrat enthielt sich Deutschland. Die Ampel konnte sich nicht auf eine Position einigen – der Kompromiss zwischen Ablehnung und Zustimmung war die Enthaltung. Wir fürchten, dass die zusätzlichen europäischen Regelungen die Rechtsunsicherheit für Selbstständige und ihre Auftraggeber noch erhöhen könnten.

Fazit Plattformarbeit: Die Bundesregierung hält sich offiziell heraus.

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