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Steuervorteil nur für Angestellte Was bedeutet der Ausschluss von der Aktivrente für selbstständige Frauen? 

Im Schnitt verdienen Frauen weniger, leisten mehr Sorgearbeit und erhalten weniger Rente – auch in der Selbstständigkeit. Viele von ihnen würden von der Aktivrente besonders profitieren. Doch die Bundesregierung verpasst gerade die Chance, einen echten Unterschied zu machen. 

Frauen, die im Alter selbstständig arbeiten wollen oder müssen, sind vom Ausschluss aus der Aktivrente besonders betroffen.

Der geplante Ausschluss von der Aktivrente betrifft alle Selbstständigen, unabhängig von ihrer Branche, der Höhe ihrer Einkünfte oder der Frage, ob sie in die Sozialversicherungen einzahlen oder nicht. Gleichzeitig weist vieles darauf hin, dass die Aktivrente bestehende Ungleichheiten weiter verschärft. So haben wir vor Kurzem darüber berichtet, dass der als Anreizinstrument gedachte Steuervorteil die Altersdiskriminierung verstärken wird. 

Besonders treffen dürfte der Ausschluss aus der Aktivrente außerdem Frauen, die bereits selbstständig arbeiten oder sich selbstständig machen wollen. Denn: Frauen verdienen im Schnitt weniger als Männer und erhalten entsprechend weniger Rente. Das gilt auch für selbstständige Frauen. Wollen sie sich im Alter in selbstständiger Tätigkeit etwas dazuverdienen, werden sie gegenüber Angestellten nun massiv steuerlich benachteiligt. Zudem leisten Frauen mehr Sorgearbeit, kümmern sich zum Beispiel um die Kinder, Enkel oder um pflegebedürftige Angehörige. Eine Selbstständigkeit bietet vielen von ihnen die nötige Flexibilität, Sorge- und Erwerbsarbeit unter einen Hut zu bekommen. Ergreifen sie diese Chance, werden sie nun steuerlich abgestraft. 

Gender Pay Gap: Frauen verdienen weniger – auch bei gleicher Qualifikation

Frauen haben im Schnitt niedrigere Rentenansprüche als Männer. Und würden entsprechend besonders davon profitieren, sich im Alter – gefördert durch die Aktivrente – etwas dazu verdienen zu können. Der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB etwa kritisiert in einer Stellungnahme zur Aktivrente (hier unsere Zusammenfassung) deren Verteilungswirkung und weist in dem Kontext auf eine Benachteiligung von Frauen hin, unter anderem aufgrund des Gender Pay Gap. So bezeichnet man die Differenz zwischen dem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von Männern und Frauen. 

  • Unbereinigter Gender Pay Gap in 2024: 16 Prozent
  • Bereinigter Gender Pay Gap in 2024: 6 Prozent

Der unbereinigte Gender Pay Gap umfasst alle Berufe, Arbeitszeiten und Qualifikationen: Er lag im Jahr 2024 bei 16 Prozent, die Frauen weniger verdienten. Der bereinigte Gender Pay Gap lag 2024 bei sechs Prozent. Das heißt: Bei vergleichbarer Qualifikation, Tätigkeit und Erwerbsbiografie verdienen Frauen pro Stunde sechs Prozent weniger als Männer (Quelle: Statistisches Bundesamt). 

Dass es einen Gender Pay Gap nicht nur in der Gesamtgesellschaft, sondern auch unter Selbstständigen gibt, zeigt zum Beispiel eine aktuelle Umfrage von freelance.de: Demnach liegt der durchschnittliche Stundensatz von Freelancerinnen 2025 um elf Prozent niedriger als der von männlichen Freelancern. 

Höhere Sozialabgaben

Außerdem sind selbstständige Frauen besonders davon betroffen, dass Selbstständige höheren Sozialabgaben unterliegen als Angestellte: etwa dann, wenn sie trotz geringer Einkünfte den Mindestbeitrag ihrer Krankenversicherung zahlen müssen. Mehr Frauen als Männer liegen zudem unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze und sind deshalb stärker von der unfairen Beitragsbemessung betroffen (anders als Angestellte und Arbeitgeber leisten sie auch Beiträge auf die rechnerischen Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung, auf Kapitalerlöse und Mieteinnahmen). Nicht selten führt das dazu, dass sich die Erwerbstätigkeit für Frauen kaum lohnt und sie ungewollt in der Familienversicherung bleiben – oder weniger Stunden leisten als eigentlich gewünscht (mehr dazu in diesem Beitrag). 

Warum gibt es einen Gender Pay Gap? Die Gründe dafür sind vielfältig. So sind Frauen öfter in Branchen mit niedrigerem Einkommensgefüge und seltener in Führungspositionen tätig als Männer. Außerdem arbeiten sie öfter in Teilzeit, die obendrein schlechter bezahlt wird. Und nicht zuletzt übernehmen sie häufiger die unbezahlte Sorgearbeit für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige. 

Gender Care Gap: Mehr Sorgearbeit, weniger Rente

Diese geschlechtsspezifische Lücke in der unbezahlten Sorgearbeit nennt sich Gender Care Gap: Er beziffert die Differenz im Zeitaufwand, die Frauen und Männer etwa für die Kinderbetreuung, die Pflege von Angehörigen oder Hausarbeit aufbringen. Frauen leisten im Durchschnitt deutlich mehr unbezahlte Care-Arbeit als Männer und unterbrechen ihre Karrieren länger für die Kinderbetreuung oder andere Sorgearbeit. Dadurch reduziert sich ihr Einkommen – und damit auch ihre Rentenbeiträge. 

"Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, Hausarbeit, Ehrenamt: Frauen wenden pro Tag im Durchschnitt 43,4 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit auf als Männer", heißt es dazu beim Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ). Umgerechnet sind das 76 Minuten Unterschied pro Tag: Demnach verbringen Männer pro Woche knapp 20 Stunden und Frauen knapp 29 Stunden mit unbezahlter Sorgearbeit. "Für Frauen ergeben sich dadurch wirtschaftliche Nachteile in Bezug auf ihre Entlohnung, ihre beruflichen Chancen, ihre ökonomische Eigenständigkeit und letztlich auch auf ihre Alterssicherung", schreibt das Bundesministerium weiter. 

Aktivrente könnte helfen, Sozialleistungen einzusparen

Der Bundesverband für Kindertagespflege (BVKTP) vertritt mehr als 37.000 Kindertagespflegepersonen in Deutschland – überwiegend Frauen, von denen wiederum ein Großteil selbstständig ist. In seiner Stellungnahme zur Aktivrente (hier unsere Zusammenfassung) geht der BVKTP darauf ein, dass selbstständige Kindertagespflegepersonen der Rentenversicherungspflicht unterliegen – und trotzdem von der Aktivrente ausgeschlossen bleiben. 

Ihr Einkommen reiche in der Regel nicht, um neben der gesetzlichen Rentenversicherung privat vorzusorgen. Wichtig zu wissen in diesem Kontext: Die (zu niedrigen) Honorare in der Kindertagespflege legen übrigens die Kommunen fest, also der Staat.

Hinzu kommt laut BVKTP, dass demografiebedingt immer weniger Kinder betreut werden müssten. Eine rentable Gruppengröße sei immer schwerer zu erreichen. Das reduziere die Einkommen weiter – und führe dazu, dass ein Großteil der Kindertagespflegepersonen wegen ihrer niedrigen Rente auf Grundsicherung angewiesen seien. Eine Aktivrente für Selbstständige könnte hier helfen, ausreichend dazu zu verdienen und so Sozialleistungen einzusparen. 

Jasmin Laura Maibach: "Das ist ein Rückschritt auf Kosten von uns Frauen und Müttern"

Selbstständigkeit ist für viele Frauen auch deshalb ein attraktives Modell, weil sie mehr Flexibilität und damit eine bessere Vereinbarkeit von Care- und Erwerbsarbeit bietet. Freelancer/innen berichten laut Flexradar 2025 häufiger von einer hohen Vereinbarkeit (über 50 Prozent), während das bei Angestellten nur für knapp 19 Prozent gilt. Hinzu kommt, dass gemäß der Studie in vielen Unternehmen anspruchsvolle Projekte und Führungsaufgaben primär in Vollzeit vergeben und Teilzeitstellen hingegen auf weniger komplexe Tätigkeiten reduziert würden. Wer Sorgearbeit leistet, findet in der Selbstständigkeit also die Möglichkeit, trotzdem weiter auf seinem Qualifikationsniveau zu arbeiten – auch in Teilzeit. 

Doch entscheiden sich Frauen für selbstständige Arbeit, bleibt ihnen der Steuervorteil durch die Aktivrente verwehrt. Diesen Punkt betont auch Jasmin Laura Maibach. Sie ist selbst Mutter und Gründerin und begleitet als Gründungs- und Unternehmensberaterin Frauen und Mütter auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit. Im Rahmen unserer Video-Aktion für eine faire Aktivrente erzählt sie: "Viele von uns wählen genau diesen Weg, weil das Angestelltensystem mit Familie einfach nicht funktioniert. Wir tragen Verantwortung, wir leisten Care-Arbeit, wir kämpfen täglich für Gleichberechtigung. Jetzt soll genau dieser Weg in die Selbstständigkeit bei der Aktivrente bestraft werden. Das ist kein Fortschritt, das ist ein Rückschritt auf Kosten von uns Frauen und Müttern." 

Beträchtliche Altersvorsorgelücke – und nun auch noch der Ausschluss aus der Aktivrente

Die Altersvorsorgelücke zwischen Frauen und Männern ist beträchtlich: Das durchschnittliche Alterseinkommen von Frauen ab 65 Jahren, die Hinterbliebenenrente oder -pension erhalten, liegt 25,8 Prozent niedriger als das von Männern. Frauen ab 65 ohne Hinterbliebenenrente oder -pension haben sogar 36,9 Prozent weniger Alterseinkommen als Männer (Zahlen für 2024, Statistisches Bundesamt).

Entsprechend häufiger sind Frauen darauf angewiesen, im Alter erwerbstätig zu bleiben und ihre Rente aufzubessern. Entscheiden sie sich dabei für eine Selbstständigkeit – etwa weil sie schon selbstständig sind, weil sie keine Anstellung finden, weil sie Lust haben, selbstständig zu arbeiten oder aufgrund einer Pflegesituation die Flexibilität brauchen – werden sie durch den Ausschluss von der Aktivrente nun ein weiteres Mal benachteiligt. Der Deutsche Caritasverband weist darauf hin, dass Frauen jenseits der 60 typischerweise ein deutlich niedrigeres Erwerbseinkommen als gleichaltrige Männer hätten – und deshalb vom Steuerbonus der Aktivrente nicht voll profitieren könnten (hier unsere Zusammenfassung). 

Heike Kern: "So wie mir geht es vielen selbstständigen Frauen"

Heike Kern, 64 Jahre alt und solo-selbstständig als Yogalehrerin und Ayurveda-Therapeutin, hat sich zu Zeiten der Ich AG selbstständig gemacht: "Damals waren alle froh, weil das die Arbeitslosenzahl minimiert hat." Viele Jahre ging Heike ihrer Selbstständigkeit erfolgreich nach, doch dann kam Corona: Für sie als Yogalehrerin bedeutete das erst eine Zwangspause, dann ein stark eingeschränktes Kursprogramm – und damit erhebliche Einnahmeausfälle. Die Corona-Hilfen deckten lediglich die Fixkosten. 

"Weil ich während der Coronazeit meine Altersvorsorge angreifen musste, werde ich arbeiten bis zum Lebensende." Ihre Rente wird laut aktuellem Stand bei etwa 1.000 Euro liegen. Ein Steuervorteil durch die Aktivrente von 500 bis zu 920Euro würde für sie, die über die Regelaltersgrenze hinweg weiterarbeiten wird, einen riesigen Unterschied machen. "Und so wie mir geht es vielen selbstständigen Frauen in meinem oder ähnlichen Berufen", erzählt Heike abschließend. "Ich verstehe nicht, wieso uns dieser Steuervorteil verwehrt wird." 

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