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Lesetipp Teil zwei der Reihe "Schütze deine Selbstständigkeit" Die richtige Beauftragung und Vertragsgestaltung

Du hast Teil eins unserer Reihe bereits gelesen und unsere Tipps umgesetzt: Vom Namen, unter dem du auftrittst, über deine Rechnungen bis zur Website: Du stellst dich der Öffentlichkeit – und damit auch gegenüber Prüfern der Deutschen Rentenversicherung (DRV) – selbstbewusst als Unternehmer/in dar.

Dann ist es jetzt an der Zeit, deine Angebots- und Vertragsgestaltung zu prüfen. Hier lauern viele Fallen, die du als Selbstständige/r kennen solltest. Was du zu Angebot, Honorar und Projektbeschreibung wissen solltest, erfährst du im folgenden zweiten Teil unserer Reihe.

Clever verhandelt: Vermeide Fehler in der Auftragsgestaltung

In Zeiten, in denen insbesondere Solo-Selbstständige unter dem Generalverdacht stehen, keine echten Unternehmer zu sein, müssen wir uns in die Rolle der Gegenseite versetzen und Wege finden, um unsere Selbstständigkeit zu schützen.

Gemeinsam mit Experten im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht haben wir die wichtigsten Tipps zusammengestellt, so dass du den Vorwurf der Scheinselbstständigkeit nach Möglichkeit entkräften kannst (vgl. Einleitung zur Reihe). Denn jeder deiner Auftraggeber mit Arbeitnehmern wird alle vier Jahre geprüft. Dein Rechnungstext, deine Auftragsbestätigung usw. sollten dann möglichst keine Rückfragen auslösen.

Einführung: "Kleiner Fehler, schlimme Folgen!"

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"Bei der Angebotserstellung und Vertragsgestaltung gibt es wichtige Regeln, die vor allem Einzelunternehmer/innen beachten müssen", erklärt Michael Felser. "Sonst gilt: kleiner Fehler, schlimme Folgen". Der Rechtsanwalt weiß, wie wichtig es gerade für Solos ist, die sich vielfach ungern oder zu selten mit juristischer Feinarbeit beschäftigen, gute und verbindliche Regelwerke zu formulieren.

Es gelte, missverständliche Formulierungen und auch kleinste Andeutungen einer Beschäftigung zu vermeiden.

Fachsprache zählt!

Fallen lauern vor allem im allgemeinen Sprachgebrauch oder im eigenen Branchenjargon. Da wird etwa mal schnell vom "Job" gesprochen (statt "Auftrag") oder der eigene Service besonders hervorgehoben: "Ausführung in enger Abstimmung mit dem Kunden" statt "gemäß Projektplan".

Um zu verstehen, weshalb Alltags- und Rechtssprache so auseinanderklaffen, muss man wissen, dass "Selbstständigkeit" in den entscheidenden Vorschriften nicht rechtlich definiert ist. Nur die "Beschäftigung" ist es. Und so muss jeder Sachbearbeiter und auch der Sozialrichter stets die "Umstände des Einzelfalls" würdigen. Für Solos und ihre Anwälte bedeutet das, eichhörnchenhaft Indizien für die Selbstständigkeit zu sammeln und jeden Hinweis auf eine Anstellung zu tilgen. Andernfalls gilt der Auftrag womöglich als "Beschäftigung".

Was ist Selbstständigkeit? Kurz: Alles, was nicht Beschäftigung ist. Denn § 7 Abs. 1 SGB IV lautet:

"Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers."

Schließe für dein Business daher folgendes aus:

  • Weisungsgebundenheit: Hat der Auftraggeber qua Vertrag oder tatsächlich zu viel Mitsprache bei der Ausführung des Auftrags (etwa Ort, Zeit, Dauer, Priorisierung von Arbeitspaketen), wird er schnell als Arbeitgeber angesehen und der Solo als "Beschäftigter". Echte Selbstständige verfügen frei über ihre Leistungszeit, Leistungskraft, auch über ihre Ersetzbarkeit durch eigenes Personal. Das sollte sich auch in der schriftlichen Kommunikation miteinander spiegeln.
  • Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers: Freelancer und freie Mitarbeiter dürfen nicht wie die festangestellten Mitarbeiter des Auftraggebers tätig sein. Unterschiede entscheiden (mehr dazu in Teil 3 unserer Reihe).
  • Fehlendes unternehmerisches Risiko: Kein Auftrag, kein Einkommen – dieser Regel unterliegt dein Erwerbsmodell. So wie du deine Ausgaben, deine Altersvorsorge und deine Urlaubs- und Krankheitszeiten selbst erwirtschaften musst, stehst du für den Erfolg und Misserfolg deiner Tätigkeit gerade. Weitgehende Haftungsausschlüsse, Dumpingpreise oder fehlende Absicherung können dich in die Defensive bringen.

Denke DRV!

Daher gilt: "Denke unternehmerisch und betrachte dich mit den Augen eines Betriebsprüfers: Wirken deine Angebote oder deine Verträge mit den Auftraggebern unternehmerisch?", sagt Hartmut Paul, ehemaliger Prüfer und Sozialversicherungsexperte aus Berlin.

Klar: Das Risiko der Scheinselbstständigkeit ist vor allem ein Risiko für den Auftraggeber. "Er und im Dreiecksverhältnis auch der Provider/Vermittler muss Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen. Je nach Umständen des Einzelfalls drohen ihm sogar strafrechtliche Konsequenzen", erklärt Rechtsanwalt Michael Felser. Und das bringt auch dich in die Bredouille: Ärger mit der DRV bedeutet regelmäßig das Ende der Beauftragung für dich als Solo.

Daher Hand aufs Herz: Wie unternehmerisch sind deine Angebote? Und – das ist wichtig für Einzelunternehmer: Wie würde ein großer Player in meinem Bereich das machen? Business-Mimikry schadet nicht. Im Gegenteil: Je besser deine Verträge, desto mehr Sicherheit hast du!

1. Rahmenvertrag oder AGBs: Schriftlich ist besser!

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Schriftliche Verträge? Brauche ich nicht! Wenn es um die Auftragsgestaltung geht, haben viele Einzelunternehmer/innen diese eingespielte Vorgehensweise. Aber Vorsicht: Überprüfe, wie sicher deine ist. Selten reicht der Auftrag am Telefon oder per Handschlag, um deine Selbstständigkeit zu schützen.

Experten raten Solos vor allem zu zwei Modellen, je nachdem, was besser zu deinem Geschäftsmodell passt. Wir stellen beide vor:

Modell 1: Der Rahmenvertrag mit Einzelprojekten (H3)

Bei diesem Modell verwendest du einen möglichst allgemein gehaltenen Rahmenvertrag für all deine Kunden, den jeweils beide Seiten unterschreiben. Auf dieser Basis nimmst du Aufträge an. Der Vertrag enthält Grundsätzliches zu Leistung, Honorarart, Laufzeit, Kündigungsmodalitäten, Details zu Weisungsfreiheit – und keine Sonderregeln für einzelne Kunden.

Investiere hier in die Beratung durch einen Experten auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts! Nur der Profi, der tagtäglich Fälle in diesem speziellen Fachgebiet betreut, weiß, welche Klauseln effektiv Schutz bieten. Denke daran, bestehende Rahmenverträge regelmäßig zu aktualisieren. Sicherheit ist selten bequem!

Die neun Bestandteile eines Rahmenvertrags

Hier haben wir in Zusammenarbeit mit unseren Experten eine Checkliste mit Erläuterungen zusammengestellt. Sie enthält neun Regelungen, die ein Rahmenvertrag enthalten sollte. Die Punkte sind analog auch dann zu beachten, wenn ihr einen einzelnen Vertrag macht, der die Zusammenarbeit an einem Projekt regelt:

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Wichtig: Der auf Basis dieses Rahmenvertrags erteilte Einzelauftrag kann anschließend auch per Mail oder Messenger ausgehandelt werden.

Modell 2: Schriftlicher Einzelauftrag mit AGBs

Ähnlich wirkungsvoll sind Einzelaufträge mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs). Der Unterscheid zum Rahmenvertrag: Du setzt sie einseitig auf, dein Kunde akzeptiert sie bei jeder Beauftragung. Sie gelten für alle deine Aufträge und sind auch auf deiner Website einsehbar.

Der Clou an dieser Lösung: AGBs gelten als positives Indiz für deine Selbstständigkeit, schließlich setzen Arbeitnehmer/innen keine ein. "Mit dem Einsatz von AGBs zeigen Solo-Selbstständige, dass sie kaufmännisch agieren", erklärt Rechtsanwalt Felser.

Ob Rahmenvertrag oder AGBs: Die Regelungen sind allgemeingültig, also für alle deine Kunden anwendbar; sie beschreiben dabei so konkret wie möglich deine Selbstständigkeit – und zwar, dass du weisungsfrei, unabhängig, nicht betrieblich eingebunden bist und vor allem das volle Unternehmerrisiko trägst.

Eine Frage der Machtverhältnisse

Rahmenvertrag oder AGB? – Welches Modell für dich passend ist, liegt an deinem Geschäftsmodell, an derBranche, dem Auftraggeber oder Vermittler. Der Einsatz von AGBs ist oft eine Machtfrage: Welches Unternehmen setzt seine AGB durch? Bei einmaligen Leistungen wie einem Werk wäre ein Rahmenvertrag nicht nachvollziehbar; wenn regelmäßig Einzelaufträge erfolgen, ist ein Rahmenvertrag mit Einzelaufträgen oft die effektivere Lösung.

Finde heraus, was für dich besser passt und lass dein bestehendes Vertragswerk prüfen oder entwickle eine neues. Die zitierten Experten bieten Sonderkonditionen für VGSD-Mitglieder an.

Für beide Varianten, AGB und Rahmenvertrag, gilt:

  • Aufwand: hoch
  • Nutzen: hoch

2. Eigenes Personal hilft

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Unternehmer/innen haben Angestellte – diese Regel passt nicht auf Solo-Selbstständige, die ja bewusst auf Mitarbeiter verzichten oder aus finanziellen Gründen verzichten müssen. Auch passt sie nicht mehr in unsere moderne, agile Arbeitswelt, in der freie Spezialisten unter anderem Digitalisierung und Dekarbonisierung vorantreiben – mit dem in unserer Zeit wichtigsten Produktionsfaktor, ihrem Wissen.

Bei der DRV ist das anders: Hier gilt seit jeher der/die sozialversicherungspflichtige Angestellte (oberhalb der Minijobgrenze, siehe unten!) als zentrales Indiz für Unternehmertum und damit gegen Scheinselbstständigkeit. Allerdings nur Indiz, wenn auch wichtiges: Auch mit Angestellten kann man unter Umständen als scheinselbstständig gelten.

Mehr als ein Minijob

Sicherheit kostet. "Ein Minijob reicht nicht, es muss mindestens ein Midi- oder ein anderer sozialversicherungspflichtiger Job sein", erklärt Rechtsanwalt Michael Felser.

Möglich ist es auch, dass sich mehrere Freelancer (Handelsvertreter, GmbH-Gesellschafter …) eine/n Mitarbeiter/in teilen, sofern jeder von ihnen mehr 520 Euro (Minijob-Grenze) zahlt (bis 30.9.2022: 450 Euro).

Statt einem Mitarbeiter sind laut Experte Hartmut Paul auch zwei Mini-Jobber möglich, wenn deren Nettogehälter in Summe über 450 Euro liegen. "Laut Bundessozialgericht werden sie wie ein/e sozialversicherungspflichtige/r Angestellte/r 'gewertet'", sagt Michael Felser und verweist auf das Urteil des BSG vom 23. November 2005, Az. B 12 RA 5/03 R).

Familienmitglieder sind zulässig, ihre Tätigkeit muss aber einen beruflichen Bezug haben, also über Haushaltshilfe oder Botengänge hinausgehen.

Neuerung für hochspezialisierte Wissensarbeiter

Ein bislang negativ bewertetes Indiz pro Scheinselbstständigkeit bekommt neue Bedeutung: die höchstpersönliche Leistungserbringung. Sie galt stets als Indiz für Beschäftigung. Hochspezialisierte Wissensarbeiter arbeiten jedoch oft als Solo-Experten, da ihre Expertise aus ihrem Wissen, Können und ihrer Erfahrung herrührt. Ihr Einsatz erfolgt nicht selten als Ultima ratio für den erfolgreichen Abschluss eines stockenden Projekts. Eine Vertretung kommt in einer solchen Situation nicht in Frage.

Das neue DRV-Rundschreiben vom 1. April 2022 gibt neue Hinweise zur Einordnung. "Darin macht die DRV klar, dass auch Selbstständige höchstpersönlich Leistungserbringung schulden können, etwa beim Einsatz von Hochqualifizierten und Spezialisten", betont Michael Felser und verweist auf Seite 16 des Rundschreibens:

Für das Einstellen eigener sozialversicherungspflichtiger Mitarbeiter gilt in Hinblick auf den Schutz vor Scheinselbstständigkeit:

  • Aufwand: hoch
  • Nutzen: hoch

3. Arbeite in Projekten und beschreibe sie konkret

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Ob Rahmenvertrag oder AGBs: Denke in Projekten und denke dabei vom Ergebnis her! Was will der Kunde am Ende?

Beispiel: Ein neues Personalabrechnungssystem. Vergebe dafür eine Projektnummer und/oder einen plastischen Namen! Etwa: Projekt "Every Head Counts", Nr. 22/0x, Erstellung eines Personalabrechnungssystem."

Formuliere die einzelnen Realisierungsschritte als Teilabschnitte des Projekts (mit oder ohne abschnittsweisen Vergütungsvereinbarungen). Vorteil: "Wenn der Leistungsumfang eines Projektabschnitts überschritten ist, lässt sich ein Nachtragsangebot unterbreiten und auch abrechnen: "Nachtrag zu Projekt xyz", ähnlich wie im Bau", rät Hartmut Paul. Achte auf Weisungsfreiheit und präzise Beschreibung.

Wichtig für IT-Berater/Spezialisten: Arbeitest du mit einer Agentur, die Deine Dienste an (meist große) Endkunden vermittelt, kommt es darauf an, dass deine Teilleistungen gegenüber dem Endkunden so präzisiert sind, dass der Auftrag ohne Weisungen in deiner eigenen Verantwortung erbracht werden kann.

Das geht aus dem bereits zitierten neuen Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen und Rentenversicherung hervor (vgl. Ablage 5, S.14 zu einzelnen Berufsgruppen IT-Berater/Spezialisten):

Wichtig: Überprüfe deine Leistungsbeschreibung auf typische Fachbegriffe oder Formulierungen, die deine Tätigkeit in die Nähe eines Beschäftigten rücken könnten.

So ist es etwa einer Interimsmanagerin ergangen, die im Endkundenvertrag ihre Leistung als "in enger Abstimmung mit dem Kunden und dessen betrieblichen Notwendigkeiten" beschrieb. Das LSG NRW sah darin eine weisungsgebundene Tätigkeit und sprach ihr die Selbstständigkeit für diesen Auftrag ab (Urteil vom 17.07.2019 - L 8 R 195/15).

Für die saubere Formulierung der Aufträge bzw. (Teil-)Projekte gilt:

  • Aufwand: mittel
  • Nutzen: hoch

4. Honorar richtig angeben

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Bei der Angabe von Preisen, Stunden- und Tagessätzen lauern eine Menge Fallen. Wo sind Stunden und Tagessätze überhaupt noch zu "zulässig", wann eher Pauschalpreise? Wann darf ich meine Rechnung frühestens stellen? Ist mein Honorar hoch genug? Darf ich auch erfolgsabhängige Vergütungen vereinbaren?

Mit den folgenden sechs Hinweisen beantworten wir diese Fragen:

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Für die "richtige" Angabe der Preise gilt in Hinblick auf Scheinselbstständigkeit

Aufwand: gering

Nutzen: hoch

5. Berufshaftpflichtversicherung nachweisen

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Unternehmer/innen stehen in der Haftung und sichern sich daher entsprechend ab. Wichtig: Ein Kontoauszug zum Nachweis der Rückstellung für Haftpflichtschäden genügt nicht. Eine entsprechende Haftpflichtversicherung ist Pflicht. Für unsere Mitglieder bieten wir Sonderkonditionen bei exali.

Für den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung gilt in Hinblick auf Scheinselbstständigkeit

Aufwand: gering

Nutzen: mittel

Achtung: Unsere Tipps bieten keinen hundertprozentigen Schutz vor dem Verdacht der Scheinselbständigkeit und das Verhalten der DRV kann sich zudem jederzeit ändern. Aber mit jedem Hinweis unserer Experten, den du umsetzt, reduzierst du die Gefahr einer falschen Statusfeststellung durch die Rentenversicherung – was dir und deinen Auftraggebern viele Sorgen und unnötige Arbeit ersparen kann.

So geht es weiter: Welche Regeln du beim Kundeneinsatz beachten musst, klärt der nächste Teil unserer Reihe im September.

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