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Lesetipp Einführung zur neuen Reihe "Schütze deine Selbstständigkeit" So beugst du Scheinselbstständigkeit vor

Neue Reihe "Schütze deine Selbstständigkeit": Wie du dem Generalverdacht der Scheinselbstständigkeit vorbeugst

Schwammige Kriterien, widersprüchliche Urteile, drohende Beitragspflicht: Selbstständige müssen zunehmend ihre Selbstständigkeit verteidigen. Gemeinsam mit erfahrenen Anwälten und Experten haben wir die 25 wichtigsten Tipps zusammengestellt, wie wir unser Erwerbsmodell schützen.

Hand aufs Herz: Bist du mit Leib und Seele Unternehmer/in?

Zeigst du es auch nach außen: über deine Website, deine E-Mail-Signatur und deine Rechnung? Denkst, planst und fakturierst du wie ein Unternehmen? Beschäftigst du jemanden über 450 Euro? Oder betreibst du gar eine GmbH?

Prima, dann könnte es ziemlich gut für dich laufen, wenn die nächste Betriebsprüfung bei deinem Kunden oder neu – seit April – bei deinem Provider oder Vermittler ansteht. Dein Scheinselbstständigkeitsrisiko scheint ziemlich gering – zumindest für diesen einen Auftrag.

Fein raus scheinen auch alle, die ihre Aufträge von einer öffentlichen Institution, einem Abgeordneten oder aber einem Verfassungsorgan, etwa dem Bundestag, erhalten. Hier kann der DRV-Sachbearbeiter auf einem Extra-Formblatt vor der Akte Passendes ankreuzen und vielfach scheint sich das Verfahren zur Statusfeststellung von selbst zu erledigen.

Clevere Tipps für echte Unternehmer/innen

Doch was ist mit all jenen, die keine GmbH oder UG gegründet haben, die allein mit ihrem guten Namen als Einzelunternehmer/innen auftreten – und die private Wirtschaft als Auftraggeber im Blick haben? "Wer seine Selbstständigkeit als Erwerbsmodell schützen will, muss wissen, worauf Betriebsprüfer, Sachbearbeiter der Deutschen Rentenversicherung (DRV) und Sozialrichter bei der Beurteilung achten", erklärt Arbeits- und Sozialrechtsexperte Michael Felser. Es gelte, möglichst unter dem Radar zu fliegen. Seine Kanzlei in Brühl berät neben großen Auftraggebern vor allem Solo-Selbstständige, die um die Anerkennung ihrer Selbstständigkeit kämpfen.

Dass Selbstständige zunehmend in die Verteidigungsrolle gedrängt werden, liegt zum einen an der Rechtslage, aber auch am politischen Willen. Verbindliche Kriterien, die die Einordnung eines Auftrags als selbstständige Tätigkeit rechtssicher ermöglichen, fehlen. Auch die letzte Reform zum April 2022 hat hier keine Verbesserung gebracht (wir berichteten). Klare Kriterien, die auch die positive Rechtsprechung wiedergeben, fehlen.

Stattdessen arbeiten Prüfer wie Anwälte mit einem mageren Gesetzestext, rechtlich nicht verbindlichen Anmerkungen in einem Rundschreiben und widersprüchlichen Urteilen zum teils auf höchstrichterlicher Stufe. Dass Selbstständige daher von sich aus kaum eine Klärung des Erwerbsstatus suchen, ist nur verständlich. Zu groß scheint vielen das Risiko, am Ende als "Beschäftigter" seines Kunden oder gar seines Providers zu gelten – und diesen nicht selten zu verlieren.

Indiziensuche pro Selbstständigkeit

Dass diese Sorge nicht aus der Luft gegriffen ist, weiß auch Benno Grunewald in Bremen. Der erfahrene Anwalt hat sich auf alle Fragen rund um das Thema Scheinselbstständigkeit spezialisiert und sammelt tagtäglich positive Indizien für seine Mandanten. "Traurig, aber wahr: Wie Eichhörnchen müssen Selbstständige Indizien für ihre Selbstständigkeit sammeln. Je mehr positive Kriterien sie vorweisen, desto leichter fällt die Argumentation pro Selbstständigkeit – sei es in kompliziert formulierten Fragebögen der DRV, im Widerspruchsverfahren oder aber vor Gericht", berichtet der Anwalt.

Gemeinsam mit unseren Experten aus dem Arbeits- und Sozialversicherungsrecht stellen wir die wichtigsten Kriterien vor. "Es sind über 420 Kriterien, die ein Betriebsprüfer im Falle einer Prüfung beim Auftraggeber und im Anschluss beim Freelancer abfragen kann", berichtet Hartmut Paul, ehemaliger Rentenprüfer und Sozialversicherungsrechtsexperte in der Kanzlei jura ratio in Berlin. Er weiß, worauf seine früheren Kollegen und Kolleginnen bei der DRV achten.

Und wenn es uns noch so schwer fällt: In Zeiten, in denen Selbstständige zunehmend unter Generalverdacht stehen, nur zum Schein selbstständig zu sein – oder aber arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger – gilt es, dieses Lebens- und Erwerbsmodell zu schützen, indem wir die Perspektive der Gegenseite einnehmen.

Frage dich: Wie wirkt mein Business auf eine/n Rentenprüfer/in? Erfülle ich auf den ersten Blick alle Kriterien eines Unternehmens?

Politischer Druck nimmt zu

Ideen, neue Beitragszahler für die gesetzliche Rente zu generieren, gibt es viele, nicht nur im SPD-geführten Arbeitsministerium. Geht es nach der EU-Kommission, sollen bald alle Solo-Selbstständigen innerhalb der EU in die Rentenkassen einzahlen – unabhängig davon, ob sie selbst für das Alter vorsorgen oder nicht. Eine geplante Richtlinie sieht vor, dass alle, die über Plattformen im Internet Aufträge beziehen, mit einem niederschwelligen Kriterienkatalog zu "Beschäftigen" und damit beitragspflichtig werden. Der Plattformbegriff ist derart weit gefasst, dass auch Provider und Agenturen darunterfallen könnten (wir berichteten). Erklärtes Ziel: Vier Milliarden Euro Mehreinnahmen pro Jahr für die Sozialkassen der Mitgliedsländer, der Schaden dürfte um ein Vielfaches höher liegen.

Indes sorgt die DRV schon fleißig für Beitragszahler: 2020 erkannte sie in ihren 31.000 Verfahren zur Feststellung des Erwerbsstatus' bereits in 43 Prozent der Fälle auf Beschäftigung, 2019 war es noch 33 Prozent. Aktuellere Zahlen sind noch nicht veröffentlicht. Laut Anwälten nimmt das Ergebnis "abhängig beschäftigt" in DRV-Bescheiden jedoch zu.

Schütze deine Selbstständigkeit

Höchste Zeit, das zu schützen, was unser Lebensmodell ausmacht: das eigene Business. Und unsere Auftraggeber, damit sie nicht sie angesichts steigender Bürokratie-Auflagen die Lust an der Zusammenarbeit mit Solo-Selbstständigen und Kleinstunternehmen verlieren.

Umso wichtiger, in Zeiten wie diesen die wichtigen Faktoren zu kennen und die Stellschrauben zu drehen, die wenig Aufwand, aber möglichst viel Sicherheit versprechen – auch wenn wir keine Garantie für Erfolg oder Vollständigkeit geben können! Diese Tipps sind nicht abschließend und ersetzen auch keine Beratung durch einen Anwalt mit Expertise im Bereich der Scheinselbstständigkeit. Entscheidend ist stets die "Gesamtwürdigung" aller Umstände deines Auftrags – und das klärt sich nur im individuellen Gespräch.

Aber, Hand aufs Herz: Bist du nicht Unternehmer/in? Bist du es nicht gewohnt, Risiken zu erkennen, abzuwägen und zu schultern? Also, erkenne deine Risiken und begegne ihnen. Es geht leichter als du denkst. Lese, worauf Rentenprüfer als Erstes achten - in Teil eins der Reihe.

Alle Teile der Reihe im Überblick

Zweiwöchentlich findest du hier den neuesten Teil unserer Reihe. Los geht's heute mit Teil 1.

Teil 1: Der richtige Auftritt nach außen
Teil 2: Die richtige Beauftragung und Vertragsgestaltung
Teil 3: Die besten Tipps für den Einsatz beim Kunden
Teil 4: Wann es die GmbH und UG wirklich braucht

Hast du Fragen zu deiner Selbstständigkeit? Dann frage unsere Community über unser Tool Frag den VGSD. Dort findest du bereits über 70 Antworten unter dem Tag "Scheinselbstständigkeit".

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