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Sprachanalyse Wie ZDH und DGB uns Solo-Selbstständige kriminalisieren

Zusätzlich zu unserer Video-Analyse (jetzt auch als 12-minütige Kurzversion) haben wir die am 20.02.2020 von DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) und ZDH (Zentralverband des Deutschen Handwerks) veröffentlichte gemeinsame Erklärung einer sprachlichen Analyse unterzogen:

Einfach mal markierte Stellen hintereinander weg lesen

Die Textanalyse zeigt, dass und wie wir Solo-Selbstständigen durch das Dokument kriminalisiert werden. Zur Verdeutlichung haben wir die entsprechenden Stellen im Dokument farblich markiert:

  • Lies bitte einfach mal hintereinander weg die orange hervorgehobenen Stellen.
  • Und dann anschließend die rosa markierten Stellen mit den von ZDH/DGB vorgeschlagenen Maßnahmen.

Man sieht schon an der Abfolge der Farben, wie wir zunächst kriminalisiert werden (orange), um dann entsprechende Maßnahmen gegen uns zu fordern (rosa).

Die Maßnahmen dienen dabei nicht unserem Schutz, sondern sollen vielmehr Arbeitgeber und Gewerkschaften bzw. deren Geschäftsmodell vor uns schützen. Wir kleinen Einzelkämpfer werden als Gefahr für die etablierten Großorganisationen wahrgenommen, sind ihr gemeinsames Feindbild. Die Abneigung sitzt offenbar tief, deshalb lassen sie sich zu einer fragwürdigen Sprache hinreißen.

Solo-Selbstständige = "illegal", "Wettbewerb", "Schwarz"- und "Scheinselbstständigkeit",  "Missbrauch" (orange markiert)

Auch jemand, der mit den vielen juristischen Fachbegriffen im Dokument nichts anfangen kann wird aufgrund der verwendeten Sprache schnell verstehen, dass Solo-Selbstständige ein gefährlicher Haufen sein müssen:

  • 6x werden Begriffe wie "Wettbewerbsverzerrung" und "gezielter Unterbietungswettbewerb" verwendet,
  • 6x "scheinselbstständig",
  • 5x "Schwarzarbeit",
  • 3x "illegale Beschäftigung" und
  • 2x "Missbrauch".

Des Weiteren ist im Dokument die Rede von "Subunternehmerstrukturen", "Verdachtsfällen", "bedenklicher Nutzung", "Quersubventionierung" und "Fehlanreizen".

Auch im Fließtext wird mehrfach Scheinselbstständigkeit angedeutet: Wir würden regelmäßig wie abhängig Beschäftigte tätig und seien in die Betriebsabläufe vor Ort integriert – im Handwerk bzw. in bestimmten Branchen gelte das ganz besonders.

So will man den Solo-Selbstständigen "helfen": Mit Pflichten, Regeln, Maßnahmen, Kontrollen und zwar fläckendeckend (rosa markiert)

Ihre "Analyse" verbinden DGB und ZDH mit einer Vielzahl an Forderungen an das Bundesarbeitsministerium. sie beschwören Tarifbindung, Tarifverträge, Tarifautonomie, Tarif- und Sozialpartnerschaft (12x). All dies gilt es zu stärken. – Was im ZDH natürlich bereits der Fall ist, denn hinter jedem ZDH-Funktionär von Arbeitgeberseite steht in der zweiten Reihe ein Gewerkschaftsvertreter, der zumeist von der IG Metall stammt.

Weniger freiwillig, autonom und partnerschaftlich sehen die Rezepte aus, die man den Solo-Selbstständigen verschreiben möchte:

  • 7x ist die Rede von "Pflichten", "verpflichten",
  • 5x von regulatorischen Maßnahmen und Regelungen,
  • 4x von Aufstockung, Kapazitäten, mehr Ressourcen,
  • 3x von Kontrolle, kontrollieren und
  • 3x von "flächendeckend".

Des Weiteren werden Begriffe wie "Meldung", "Bekämpfung", "Ausweitung", "spürbar sanktionieren"  bis hin zur "Schwerpunktstaatsanwaltschaft" verwendet. – Die Sprache von ZDH und DGB klingt, als gelte es der organisierte Kriminalität Einhalt zu gebieten.

Wie ernst ist das Dokument zu nehmen?

Ernst zu nehmen sind natürlich vor allem die beiden Organisationen, die hinter dem Dokument stehen. Jede für sich genommen hat in Berlin die Macht, auch fragwürdige Gesetzesvorhaben durchzusetzen.

Neu ist,  dass sie sie ihren Einfluss bündeln, um eine für die Solo-Selbstständigen nachteilige Ausgestaltung der Altersvorsorgepflicht, eine noch strengere Verfolgung angeblicher Scheinselbstständigkeit und einen Rollback bei anderen Gesetzen (GKV-Versichertenentlastungs-, Bürokratieentlastungsgesetz) zu erreichen.

Ihre Forderungen sind formal auf Solo-Selbstständige im Handwerk beschränkt, aber solche Regelungen werden in der Regel nicht für einzelne Branche getroffen. Sie würden uns also allen schaden!

Die Tonlage des Dokuments ist so schrill, dass dies Widerstand hervorrufen könnte. Verlassen können wir uns darauf aber nicht. Wir müssen uns alle zusammen engagieren, damit die Stimme der zwei Millionen Solo-Selbstständigen in Berlin gehört wird und man unsere Interessen nicht übergeht.

Kein Ausrutscher, Kriminalisierung erfolgt bewusst

Dass der DGB die Solo-Selbstständigen versehentlich mit Scheinselbstständigen gleichsetzt, kann er künftig nicht mehr behaupten: Schon 2015 hatte DGB-Chef Reiner Hofmann in der Tagesschau einen solchen Vergleich gezogen. Auf unseren Protest hin kam es zu einem Treffen mit ihm in Berlin, er entschuldigte sich damals für den Vergleich. Reiner Hofmann ist auch heute noch Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes und die gemeinsame Erklärung ist sicher nicht ohne seine Zustimmung zustande gekommen.

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