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Von der Rentenversicherung mitentwickelt Mustervertrag für Übungsleiter – (k)eine Lösung auch für andere Selbstständige?

Seit Jahren beschäftigen Sportvereine selbstständige Übungsleiter mit Musterverträgen, die die Deutsche Rentenversicherung mitentwickelt hat. Könnte das Modell auch Vorbild für hauptberufliche Solo-Selbstständige sein? Wir haben bei der DRV nachgefragt.

Mit dem Mustervertrag können Übungsleiter mit Kindern beim Fußballtraining mit relativ großer Rechtssicherheit als freie Mitarbeiter beschäftigt werden

Das wäre der Traum vieler Solo-Selbstständiger: Ein von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund abgesegneter Mustervertrag, der für Auftragsverhältnisse mit ihrem Auftraggeber herangezogen werden kann. Das Schreckgespenst der Scheinselbstständigkeit wäre, soweit das vertraglich Vereinbarte auch gelebt wird, gebannt und Rechtssicherheit für Auftraggeber und auf Auftragnehmer geschaffen.

Auf der Insel der Glücksseligen leben seit gut zwanzig Jahren Trainerinnen und Trainer und Sportvereine. Schon in den Jahren 2001/2002 wurde vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, der Rechtsvorgängerin der DRV Bund, ein Mustervertrag für freie Mitarbeiter erarbeitet und mit den Spitzenorganisationen der Sozialversicherung abgestimmt. Das Ganze passierte im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS).

"Ausschließlich nebenberufliche Tätigkeit"

Der Mustervertrag wurde ständig weiterentwickelt und aktuell gehalten. Die neueste Fassung ist vom Februar 2023 und kann beim DOSB abgerufen werden, oder auch direkt als PDF. Auch andere Sportvereine nutzen dieses Muster. 

Der Mustervertrag stellt eines gleich zu Beginn klar: Er sei "ausschließlich für die nebenberufliche Tätigkeit in Vereinen/Verbänden konzipiert". Das Gesamthonorar dürfe nicht mehr als 770 Euro betragen, mit Umsatzsteuer 916,30 Euro. Der Betrag ergibt sich aus der Addition der sozialversicherungsfreien Übungsleiterpauschale von 250 Euro und der Geringfügigkeitsgrenze von 520 Euro.

Tagsüber Hauptberuf, abends Vereinstraining

Etwas irritierend heißt es in den Erläuterungen des DOSB zu dem Mustervertrag: "(…) je geringer seine (gemeint ist: des Übungsleiters) Vergütung sind (sic), desto mehr spricht dies für eine selbstständige Tätigkeit." Aus der Sicht von hauptberuflich Selbstständigen überrascht dieser Satz, gilt doch in deren Welt das Gegenteil: Je höher die Vergütung der beauftragten Person im Vergleich zu Angestellten, desto mehr spricht dies für eine selbstständige Tätigkeit. Schließlich muss sich die oder der Selbstständige von der Vergütung selbst absichern und für Krankheit und Alter vorsorgen.

Warum dies in dem Mustervertrag umgekehrt ist, begründet die DRV mit der Nebenberuflichkeit: "Je höher die Vergütung des Übungsleiters ist, desto höher ist im Regelfall auch der zeitliche Aufwand für die Tätigkeit", heißt es von der DRV. Offensichtlich soll mit der "Höhe der Vergütung" nicht der Stundensatz gemeint sein, sondern der insgesamt pro Monat ausgezahlte Betrag. Wenn ein Übungsleiter also weniger Geld ausgezahlt bekommt, sei daraus zu schließen, dass er wenige Stunden aufwende, was wohl wiederum dafür sprechen soll, dass es eine andere, hauptberufliche Tätigkeit als Haupteinnahmequelle gibt. Das Bild, das hinter diesem Mustervertrag steht, ist typischerweise eine Person, die tagsüber ihrem Haupterwerb nachgeht und nach Feierabend ein paar Stunden pro Woche das Vereinstraining leitet.

Sozialgericht verweist ausdrücklich auf Mustervertrag

Diesem Bild entsprach vermutlich auch ein Hockeytrainer, der mit seinem Verein einen solchen Mustervertrag abgeschlossen hatte und seine Mannschaft zweimal wöchentlich trainierte, am Wochenende zu Wettkämpfen begleitete und vorbereitete. Unter der Verdienstgrenze blieb der Trainer jedoch nicht: Der Stundensatz betrug 80 Euro, und er  war im Schnitt 25 Stunden pro Monat für den Verein tätig. Er verdiente mit seiner Trainingstätigkeit also etwa 2.000 Euro jeden Monat – deutlich mehr als die vorgesehenen 770 Euro.

Womöglich deshalb wurde der Trainer in einem Statusfeststellungsverfahren trotz des benutzten Mustervertrages zum Scheinselbstständigen erklärt. Trainer und Verein wehrten sich mit einer Klage gegen die Entscheidung und bekamen vom Hessischen Landessozialgericht Recht. Das Gericht sah trotz der teils engen Rahmenbedingungen (beispielsweise feste Trainingszeiten) keine Weisungsgebundenheit des Trainers und verwies in seinem Urteil auch ausdrücklich auf den Mustervertrag. Dieser ziele darauf ab, "für Sportvereine Rechtssicherheit bei der beabsichtigten Beauftragung von Trainern als Selbstständige zu schaffen".

"Für andere Bereiche nicht denkbar"

Diese Rechtssicherheit würden sich viele Selbstständige und Auftraggeber wünschen. Wäre ein solcher Mustervertrag auch für andere Bereiche und Branchen denkbar? Wir haben diese Frage der DRV Bund gestellt. Die DRV Bund betonte in ihrer Antwort, der Mustervertrag führe "nicht zu einer Vorfestlegung des Erwerbsstatus". Entscheidend seien die Umstände des Einzelfalls. Außerdem seien die Trainer ein Sonderfall: "Der Mustervertrag trägt den Besonderheiten von Übungsleitern in Sportvereinen, die diese Tätigkeit nebenberuflich selbstständig ausüben, Rechnung." Auch das Steuerrecht kenne die Besonderheit dieser Gruppe. "Für andere Bereiche oder Branchen ist ein solcher Mustervertrag nicht denkbar", teilt die DRV mit.

Wie blickt ihr auf einen solchen Mustervertrag? Würde euch ein solches Dokument in eurer Tätigkeit helfen? Habt ihr eine Vorstellung, wie es aussehen könnte? Diskutiert gerne in den Kommentaren.

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